VON PALAU ZUM TEMPIO

von Richard Seewald

Frutti di mare

Eine reise durch Häfen und Inseln

mit 108 zeichnungen

Berlino, Volksverband der Bücherfreunde

1933

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Zu Richard Seewald siehe:

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Und hier finden Sie eine Übersicht über seine Kunstwerke

Michel Antony Shrapnel Biddulph - Valle del Liscia, 1858

Nun steigen wir mäßig, aber stetig zu einer gewaltigen, unendlich scheinenden Hochebene herauf. Die Landschaft ist absolut menschenleer. Auf Meilen rundum sieht man höchstens hier und da ein einsames Haus und niedere Steinmauern, die die Felder aufteilen und die Straßen zäunen als Zeichen menschlicher Kultur.

Eine große Schwermut brütet über der hingebreiteten Ebene, die wir durcheilen, und sie wird noch größer und füßer, als die Nacht herabsinkt und das Land nach Westen, wo die Sonne versunken ist, kalt und fahler wird, während über dem warmen Gelb, das im Osten vorherrscht, fern über den gezackten Bergen ein großer Mond ins Violett des Himmels hinaufschwimmt.

Diese süße Schwermut ist die Krankheit und die Luft der wahren Reisenden, und sie ergreift mich mehr in den Hügeln und in den Ebenen, über deren Wellen man dahinrollt, wie ein Schiff seinen Weg sucht über die gefurchte Fläche des Ozeans, unbekannter Bestimmung entgegen, als in den Hochgebirgen, in denen bei jeder Wendung der Weg sich wieder verschließt und das Ziel stets verhüllt ist durch nähere Berge.

Darum möge der Leser mir auch verzeihen, dass ich ihn nicht hineingeführt habe in die wilden Gebirge Korsikas und ihn nicht führen werde in die stets mir zur Linken bleibenden zerrissenen und unwegsamen Berge Sardiniens.

Mir erscheinen die Ebenen älter, größer, verehrungswürdiger als die Gebirge, obwohl ich natürlich weiß, dass sie die älteren. Aber für mich fängt das Denken erst an bei dem Augenblick, wo der Mensch zum ersten Mal den Pflug senkte ins fruchtbare Erdreich, wo er von den Gebirgen herabstieg ans Meer und anfing, sich dem zerbrechlichen Kiel anzuvertrauen, ergriffen von Sehnsucht nach neuen Seestaden.

And diese Ebene erscheint mir uralt, als hätte sie immer so gelegen unter dem alten Mond, während die Menschengeschlechter und ihre Kulturen auf ihr wechselten, kaum Spuren hinterlassend; ewig wie sie ist nur das Rind, das auf ihr wandelt und zwischen seinen gebogenen Hörnern die heilige Scheibe des Mondes trägt.

HrodebertRobertus - Pulchiana e la valle di Padulo
Guido Rombi - Piana di Scupetu vicino a Tempio
 Daniele Giagheddu (giago85, Instagram) - Valle della Luna

Mit Ungeduld warte ich auf das Auftauchen der sagenhaften Nuraghen, vorgeschichtlicher Steinbauten, von denen ich gelesen habe und die mir in einer Erde würdiger zu stehen scheinen als hier. Aber ich werde noch zwei Tage warten müssen, bis ich die klobigen Kegel aufragen sehe.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Der Abendwind klirrt in mannshohen, trockenen Disteln, rauscht in den Kronen der Korkeichen und trägt von der weiten Ebene den wunderbaren Geruch der Zisten, der Myrte und des Thymians zu uns.

Wir danken der Stiftung Seewald für die Genehmigung zur Veröffentlichung der Seiten (Text und Bilder)

QUELLEN DER ABBILDUNGEN

Zeichnungen, Gemälde und Lithographien aus dem 1800er Jahren

Michel Antony Shrapnel Biddulph, “La valle del Liscia”, ca 1858, IN Thomas Forester, Rambles in the islands of Corsica and Sardinia, Londra 1858; edizione italiana Come due vagabondi. Due ufficiali inglesi nella Sardegna dell’Ottocento, curato e tradotto da Maria Laura Argiolas, Cagliari, Condaghes, 1996.

Zeichnung

von Richard Seewald

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Zeitgenössische Fotos

von HrodebertRobertus, Hans Leysieffer

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