VON SANTA TERESA NACH PALAU
von Richard Seewald
Frutti di mare
Eine reise durch Häfen und Inseln
mit 108 zeichnungen
Berlino, Volksverband der Bücherfreunde
1933
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Zu Richard Seewald siehe:
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Der Hafen, dem wir uns nähern, heißt Santa Teresa. Er besteht aus einer Anzahl von niedrigen Häusern, die, wie aus einer Spielzeugschachtel ausgepackt, in weiten Abständen voneinander aufgestellt find. Zu ihren Füßen sind zwei runde Buchten; der Strand der einen ist besetzt von einigen Reihen von Badehütten, am andern werfen wir Anker, um ausgebootet zu werden. Getrennt sind beide Buchten von einem kleinen Vorgebirge mit einem alten Wachtturm aus der Zeit der Pisaner oder Genueser Herrschaft, der jetzt ausgebaut ist als Küstenzeichen.
Wir laufen in der geschützten Bucht so dicht unter Land, dass das Ausbooten keinerlei Schwierigkeiten bereitet.
Mein Blick wird sofort gefesselt von einer Anzahl von Ochsenkarren, die Säcke aufladen.
Es sind niedrige Gefährte mit plumpen Rädern, bei einem Karren sind es sogar nur zwei Holzscheiben.
Vor sie sind in primitivster Art, das heißt durch ein an den Hörnern befestigtes Joch, zwei Ochsen gespannt. Sie sind hellgrau, kurz und gedrungen, mit langen Hörnern, die aber nicht spitz und angriffsluftig nach vorne gerichtet sind wie bei den schwarzen Stieren, die ich aus der Camargue und der Arena von Marseille kenne, auch nicht weit ausladend nach seitwärts wie bei den weißen Ochsen Toskanas, sondern sanft mondförmig nach oben gebogen, so den Tieren einen zugleich friedfertigen wie feierlichen, ja heiligen Charakter verleihend. Ich konnte mein Auge nicht von ihnen wenden, und sie wurden mir zum Symbol dieses Landes, das mir das älteste unter den Sternen zu sein scheint, wenn ich an es denke und wie es sich uns enthüllte bei dieser kurzen Durchquerung.
Die Menschen, die uns empfangen, sind allerdings nichts weniger als feierlich. Es ist, als ob wir jenseits dieser schmalen Meerenge einen ganz anderen Volkscharakter angetroffen haben. Entgegen der Uninteressiertheit und Zurückhaltung der Korsen umgibt uns hier lebhafteste Neugierde und herzliches Willkommen, als man in uns Deutsche entdeckt. Aus lauter Neugierde kramt der Zollbeamte in allen unseren Koffern das Unterste nach oben und mochte uns beinahe das Auto versäumen, das uns gleich weiter ins Innere bringen soll. Nur das höfliche Vorauslaufen eines Karabinieri durch Hade und Sand lässt uns den Postwagen noch erreichen.
Unser Gepäck schleppt ein Karren, mit einem Esel und einem Ochsen bespannt, uns den Berg hinauf nach.
Auch das Postauto steht in lebhaftem Gegensatz zu gleichen öffentlichen Gefährten in Korsica. Dort klappernde, mehr oder weniger verkommene Wagen, hier ein fast neuer Fiat, geführt von in Kord gekleideten eleganten Chauffeuren in Ledergamaschen.
Zunächst folgt die Fahrt dem Meere, steinige Hügel wechseln mit Buchten, die blau ins graue Gestein schneiden. Der erste Ort, den wir erreichen, ist Paláu, gegenüber der stark befestigten Insel La Maddalena. Auch um Paláu erheben sich, deutlich erkennbar, moderne Forts an der Küste. Wir müssen, obgleich wir den Postwagen nicht verlassen, eine zweite Pass Revision über uns ergehen lassen.
Hinter Paláu biegen wir bald vom Meere ab, da, wo wir ein breites, niederes Tal überschreiten, auf dessen flachem Grunde ein träges Flüsschen dahinschleicht, Binsen und Tamarisken dem sumpfigen Boden entlockend. Einzelne Pferde und Rinder weiden verstreut zwischen dem Gestrüpp; sicherlich regiert hier wieder das Fieber.
Wir danken der Stiftung Seewald für die Genehmigung zur Veröffentlichung der Seiten (Text und Bilder)
UELLEN DER ABBILDUNGEN
Zeichnungen, Gemälde und Lithographien aus dem 1800er Jahren
Coll. Archivio comunale Santa Teresa
Gruppe: „Semmu di Sassari e semmu Sardhi“ – Facebook
Zeichnung
von Richard Seewald
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Zeitgenössische Fotos
Alessandro Ravizza – Flickr
SANTA TERESA und CAPO TESTA
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